Entschädigung bei rechtswidriger Videoüberwachung

1. Eine Entschädigung wegen nicht rechtmäßiger Videoüberwachung am Arbeitsplatz nach § 823 Absatz 1 BGB kommt nur in Betracht, wenn sie zu einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung geführt hat. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner der Anlass und die Beweggründe des Handelnden sowie der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen (wie BAG 19. Februar 2015 – 8 AZR 1007/13 – NJW 2015, 2749 = AP Nr. 44 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht = NZA 2015, 994).

2. Wichtige Anhaltspunkte für das für die Entschädigung maßgebende erhebliche Ausmaß der Verletzung des Persönlichkeitsrechts ergeben sich aus Art und Ausmaß der Verfehlung der Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes.
(LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 24. Mai 2019 – 2 Sa 214/18 – Amtliche Leitsätze)

Seit Inkrafttreten der DS-GVO darf mit Spannung erwartet werden, wie die Arbeitsgerichte arbeitsrechtliche Probleme im Lichte der dortigen Vorgaben in Zukunft beurteilen werden. Ein wesentlicher Teil der relevanten Entscheidungen der vergangenen Jahre beschäftigt sich in diesem Bereich mit der Frage, inwieweit Arbeitgeber Daten für arbeitsrechtliche Maßnahmen, insbesondere Kündigungen nutzen können, wenn die Datenverarbeitung gegen datenschutzrechtliche Vorgaben verstößt. Die vorliegende Entscheidung geht dagegen einen Schritt weiter und wirft die Frage auf, ob über die reine Abwehr einer Kündigung hinaus nicht auch andere Möglichkeiten der Sanktion gegen Datenschutzverstöße gegeben sind.
Im vorliegenden Fall ging es um weitreichende Kameraüberwachungen in einem Tankstellenbetrieb. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern sah es als erwiesen an, dass mindestens drei Kameras in einem nicht-öffentlichen Bereich der Tankstelle eine regelmäßige Überwachung der Mitarbeiter eröglichten. Der Kläger verlangte zuletzt eine Entschädigung in Höhe von 2.000 EUR wegen der unzulässigen Überwachung, die ihm das LAG auch zusprach.
Im Rahmen der Entscheidungsgründe bestätigt das LAG einen Entschädigungsanspruch auf der Grundlage von § 823 Abs. 1 BGB wegen eines schweren Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Klägers. Die Schwere des Eingriffs ist dabei im Rahmen der durchzuführenden Gesamtwürdigung insbesondere anhand der Bedeutung und Tragweite ses Eingriffs, sowie des Anlasses und der Beweggründe des Arbeitgebers sowie des Grades des Verschuldens zu beurteilen. Wichtiges Indiz in diesem Zusammenhang ist dabei das Ausmaß des Verstoßes gegen die datenschutzrechtlichen Vorgaben – hier noch in Bezug auf das BDSG a.F. Vor diesem Hintergrund ist eine Datenverarbeitung nur zulässig, wenn ein Erlaubnistatbestand gegeben ist, der im vorliegenden Fall aber fehlte. Insbesondere war die grundsätzliche Kenntnis der Mitarbeiter von der Kameraüberwachung nicht ausreichend, um eine Einwilligung des Klägers annehmen zu können. Spätestens seit der Regelung in § 26 Abs. 2 BDSG n.F. bedarf die Einwilligung im Beschäftigungsverhältnis regelmäßig der Schriftform, sodass die konkludente Einwilligung in eine Datenverarbeitung arbeitsrechtlich gesehen kaum mehr relevant sein wird.
Das LAG kann aber auch keine Rechtmäßigkeit der Kameraüberwachung gemessen an den Grundsätzen des Beschäftigtendatenschutzes gem. § 32 BDSG a.F. (jetzt § 26 Abs. 1 BDSG n.F.) feststellen. Insbesondere gelang es dem Arbeitgeber nicht, ein Überwachungsinteresse wegen des Risikos der Begehung von Straftaten in den nicht-öffentlichen Bereichen nachzuweisen. Insoweit hält das LAG auch unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprecheng des BAG fest, dass eine Kameraüberwachung von Arbeitnehmern immer nur anlassbezogen erlaubt ist und dies auch nur dann, wenn der Arbeitgeber konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass er von einzelnen Beschäftigten geschädigt wird und wenn die Überwachung unter Berücksichtigung der Schutzinteressen der Beschäftigten erforderlich war, es also keine mildere Alternative zu der Kameraüberwachung gab. All dies schied im vorliegenden Fall aus. Hinzukamen dann noch Verstöße im Hinblick auf die Speicherung der Daten, die das LAG ebenfalls zu Lasten des Arbeitgebers wertete.

Fazit:
Bei Datenschutzverstößen im Beschäftigungsverhältnis ist immer auch der Schadensersatzaspekt im Auge zu behalten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die DS-GVO in Art. 82 einen eigenen Schadensersatzanspruch regelt, der nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG zum BDSG neben dem Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB bestehen dürfte. Ob Arbeitgeber im Rahmen des Art. 82 DS-GVO in Zukunft dann noch mit Schadensersatzzahlungen in Höhe von 2.000 EUR „davonkommen“ werden, bleibt abzuwarten.
Christopher Koll, Fachanwalt für Arbeitsrecht
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