„Wer wirklich Frieden will, muss die Massenarmut bekämpfen“

Interview mit dem Bonner Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Uwe Holtz.
"Wer wirklich Frieden will,   muss die Massenarmut bekämpfen"

Wie stehen heute die Chancen, dass alle Millennium-Entwicklungsziele bis 2015 erreicht werden?

Global gesehen stehen die Chancen schlecht. Wenn man Differenzierungen nach Weltregionen und Ländern vornimmt, dann bestehen für einige Millennium-Entwicklungsziele in bestimmten Ländern gute Chancen. In Afrika haben etwa Botswana, Angola, Burkina Faso, Ghana, Uganda und Mauritius einige Ziele bereits zur Hälfte erreicht und sind dabei, bis 2015 vielleicht das eine oder andere Ziel voll zu erreichen.

Die UN-Millennium-Entwicklungsziele:

1.Bekämpfung von extremer Armut und Hunger
2.Grundschulbildung
für alle Kinder
3.Gleichstellung der Geschlechter
4.Verringerung der Kindersterblichkeit
5.Verbesserung der Mütter-Gesundheit
6.HIV/AIDS, Malaria + andere Krankheiten bekämpfen
7.Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit
8.Globale Partnerschaft für Entwicklung

Welchen Stellenwert haben die Millennium-Entwicklungsziele derzeit? Besteht die Gefahr, dass sie angesichts der aktuellen internationalen Krisen aus dem Blick geraten?

Für die Entwicklungsländer haben die Millennium-Entwicklungsziele einen hohen Stellenwert. Bei den Industrieländern ist eine gemischte Haltung festzustellen. Viele Staaten, auch die Bundesrepublik Deutschland, haben Programme aufgelegt, um ihre Anstrengungen zu verstärken.

Wie wirken sich die aktuellen politischen Umwälzungen in Nordafrika und im Nahen Osten auf die Realisierung der Millennium-Entwicklungsziele aus?

Ich habe die Hoffnung, dass sich die Entwicklung in diesen Regionen positiv auswirkt. Warum positiv? Weil es gemäß der Millenniumserklärung und Millennium-Entwicklungszielen wichtig ist, dass Demokratie und Menschenrechte viel stärker in den Fokus gerückt werden. Was sich im Nahen Osten an Bürgerprotesten abspielt – diese „Arabellion“ – macht deutlich, dass viele Menschen zwar gut bezahlte Arbeitsplätze und eine bessere Ausbildung wollen, dass man aber auch nach Freiheit und Demokratie hungert.

Über unsere ethische Verantwortung einer gerechten und nachhaltigen Weltentwicklung hinaus, wo liegen die elementaren Eigeninteressen Deutschlands und der Industrienationen zur Realisierung der Millennium-Entwicklungsziele?

Erstens: Wer den Frieden sichern will, muss auch die Massenarmut in anderen Weltregionen bekämpfen. Zweitens wird es zu größeren Fluchtbewegungen aus Entwicklungsländern kommen, wenn die dortigen Lebensverhältnisse nicht verbessert werden. Drittens: Es müssen Beiträge für einen besseren Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen geleistet werden, und zwar über die nationalen Grenzen hinweg. Viertens: Wer Beiträge dazu leistet, dass es in den so genannten Entwicklungsländern positive wirtschaftliche Entwicklung gibt, sorgt gleichzeitig dafür, dass Deutschland bessere Chancen als Handels- und Exportnation hat und hier Arbeitsplätze gesichert werden. Fünftens: Es ist deutlich geworden, dass man den Terrorismus nicht nur mit militärischen und geheimdienstlichen Mitteln bekämpfen kann, sondern ihm besser und nachhaltiger durch wirtschaftliche und soziale Entwicklung, starke Institutionen und Rechtstaatlichkeit die Grundlage entzogen wird.

Worin liegt die konkrete Bedeutung der Millennium-Entwicklungsziele für die Menschen hier bei uns im Alltag?

Wer wirklich Frieden will, muss die Massenarmut bekämpfen; wer wirklich dafür sorgen will, dass sich die Demokratie durchsetzt, muss die Millenniumserklärung ernst nehmen. Ein besseres Leben heißt auch, dass ausbeuterische Verhältnisse in manchen Entwicklungsländern bekämpft werden; dass nicht Arbeitnehmer in verschiedenen Ländern gegeneinander ausgespielt werden, weil in einem Staat günstiger produziert wird als in einem anderen. Ziel ist es auch, dass weltweit faire Produktions-, Handels- und Sozialbedingungen herrschen.

Über die Karl Kübel Stiftung:

Die im hessischen Bensheim ansässige Karl Kübel Stiftung für Kind und
Familie setzt sich seit ihrer Gründung im Jahr 1972 mit Projekten dafür ein,
dass die Lebensbedingungen für Familien im In- und Ausland verbessert werden und Kindern ein chancengerechtes Aufwachsen ermöglicht wird. Mit ihren derzeit 110 hauptberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat die Stiftung in den vergangenen Jahren jeweils zwischen neun und 13 Millionen
Euro in gemeinnützige Projekte investiert. (mehr unter www.kkstiftung.de)

Karl Kübel Stiftung für Kind und Familie
Dr. Georg Ludwig
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06251-7005-54
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